18. November 2015

Vom Innenleben eines familiär geführten Handwerksbetriebs

Der Betrieb von Auto Wagner in der Güterstraße in Wiesloch.

Der Betrieb von Auto Wagner in der Güterstraße in Wiesloch.

Dass gleich zwei Frauen ein so großes Serviceunternehmen wie Auto-Wagner führen, ist ein Novum in der von harten Männern dominierten Autobranche

Von Oliver Göpferich
Dieser Artikel über unser Autohaus erschien im August 2015 im „Kurpfälzer Winzerfestanzeiger“

Das Autohaus Wagner – eingesessenen Wieslochern besser bekannt, als „der Ford-Wagner“ oder „der Ford-Haupthändler“ – blickt inzwischen auf eine über 60-jährige Geschichte in der Weinstadt zurück. Firmenchef Manfred Wagner hat sich in den vergangenen Jahren immer mehr zurück gezogen und die Leitung des Unternehmens einem Geschäftsführer-Duo überlassen. Seit Januar 2015 ist seine Tochter Ulrike Aull zurück und hat das Ruder übernommen.

Frau Aull hat Betriebswirtschaft und Organisations-Psychologie in Mannheim studiert und hat die letzten 20 Jahre als Unternehmensberaterin und Coach gearbeitet.

Sie war zuletzt als selbständige Unternehmensberaterin in Köln tätig. Eine Zeitlang pendelte sie im 14-Tage-Rhythmus zwischen der Domstadt und Wiesloch, seit kurzem ist sie wieder Bürgerin der Weinstadt – nach 25 Jahren.

In einem Hintergrundgespräch gewährte sie Einblicke hinter die Kulissen der Firma, erzählte von der Historie des Unternehmens, gab Anekdoten und Geschichten zum besten in der Art „Unternehmensberaterin trifft auf Praxis“ und erläuterte, was sie zukünftig mit ihrem Betrieb alles vor hat.

Die Anfänge

Auch wenn Ford-Wagner 2011 das 60. Jubiläum feierte, die Geschichte beginnt schon viel früher.
„1934 hat mein Großvater August Wagner zusammen mit seinem Bruder ein Fuhrgeschäft gegründet“, so Ulrike Aull. Die Wege trennten sich zwei Jahre später wieder und 1936 gründete August ein Omnibusunternehmen. Und weil er eine Garage für seine Busse brauchte, kaufte er in der Bahnhofstraße den Tanzsaal und die Gartenwirtschaft des Gasthauses „Zum Erbprinz“.

Dann kam der Zweite Weltkrieg und setzte der weiteren Entwicklung des Unternehmens zunächst ein Ende, der Omnibus und der Großvater wurden zusammen eingezogen. „Der Großvater kam wieder – Gott sei Dank – aber ohne den Bus“, schmunzelte Ulrike Aull.

Nach dem Krieg war man die ersten Jahre erstmal mit dem Überleben beschäftigt, bis dann 1949 die Firma Auto-Wagner gegründet wurde. Und schon zwei Jahre später, 1951, erhält das junge Autohaus den Vertrag mit dem großen amerikanischen Autoproduzenten Ford. „1964, in meinem Geburtsjahr, wurde Auto-Wagner dann Ford-Haupthändler“, so Frau Aull.

Das Unternehmen wächst

Der Stammbetrieb von Auto Wagner in der Bahnhofstraße in Wiesloch. Die Aufnahme entstand im Jahr 1965. Sechs Jahre später zog die aus allen Nähten platzende Firma in einen Neubau in der Güterstraße um.

Der Stammbetrieb von Auto Wagner in der Bahnhofstraße in Wiesloch. Die Aufnahme entstand im Jahr 1965. Sechs Jahre später zog die aus allen Nähten platzende Firma in einen Neubau in der Güterstraße um.

Das Unternehmen blühte auf und die Werkstatt, die im alten Tanzsaal des Erbprinzen in der Bahnhofstraße untergebracht war, wurde zu klein. Man entschloss sich, neu zu bauen und erwarb ein Grundstück in der Güterstraße. Auf dem Gelände entstanden zunächst Räumlichkeiten für Büros, Fahrzeugannahme und ein Showroom. Dem schloss sich im rückwärtigen Teil eine große Werkstatthalle an. Im Jahre 1971 zog die Firma dann von der Bahnhof- in die Güterstraße.

Ende der 1990er Jahre übernahm der Ford-Konzern den schwedischen Autobauer Volvo und im Mai 2000 bekam Auto-Wagner noch eine Volvo-Vertretung dazu. Eigens dafür wurde ein markanter Verkaufspavillon auf dem Gelände errichtet. Im Jahre 2008 wurde dann noch der Verkaufsraum des Hauptgebäudes erweitert, das gesamte Gebäude aufgestockt, die Kundendienstannahme umgebaut und ein Wartebereich für die Kundschaft eingerichtet.

Die Tochter kommt zurück

Ulrike Aull und Karin Baumann

Ulrike Aull und Karin Baumann

Nach ihrem Studium arbeitete sie zunächst zwei Jahre im Familienunternehmen. Dann zog es sie hinaus in die Welt. 25 Jahre war Ulrike Aull weg von Wiesloch, war als Unternehmensberaterin bei verschiedenen Firmen tätig und hatte seit 2000 in Köln ihr eigenes Büro. Im Januar kehrte sie zurück in den elterlichen Betrieb, pendelte eine zeitlang zwischen der Domstadt und der Weinstadt und leitet nun zusammen mit der langjährigen kaufmännischen Geschäftsführerin Karin Baumann das Ford- und Volvo-Autohaus. „Es ist ein Novum in der Branche, dass zwei Frauen ein so großes Autohaus führen“, meinte sie augenzwinkernd. „Das ist normalerweise eine absolute Männerdomäne.“

Sie kokettiert ein wenig mit ihrem beruflichen Werdegang: Unternehmensberater trifft auf Praxis. Und sie weiß genau, dass all die wohlfeilen Ratschläge und Empfehlungen auch in die Praxis umgesetzt und gelebt werden wollen. „Jetzt kann ich all die Dinge selbst anwenden, die ich anderen Leute empfehle, z.B. Change-Management“, schmunzelte sie. Nehme man die Leute beim heutigen schnellen Wandel nicht mit, igeln sie sich ein und stemmen sich dagegen.

Theorie und Praxis

Es ist schon eine Weile her, dass sie sich intensiv mit den Ford- und Volvo-Produkten und den Abläufen im Autohandel und im Service auseinandergesetzt hat. Entsprechend oft muss sie nun ihre Mitarbeiter fragen, was denn nun welches Modell sei und wie was funktioniert. „Ich stecke da einfach noch nicht tief genug drin“, räumt sie ein.

Doch mit ihrer Erfahrung als Unternehmensberaterin sieht sie Auto-Wagner durch eine andere Brille wie ihre oft langjährigen Mitarbeiter. Einer davon feierte jüngst sein 40. Betriebsjubiläum.

„Warum macht ihr das so, wie ihr das macht?“ lautet dann oft die Frage, aber mit der Antwort wie „Das machen wir schon immer so.“ gibt sie sich dann doch nicht zufrieden.

Früher als freie Unternehmensberaterin hat sie die Probleme in den Organisationen ihrer Auftraggeber gesucht. „Heute als Chefin meines Autohauses suche ich nicht die Probleme, die Probleme finden mich ganz alleine.“ Es sei sehr spannend, denn es vergehe kein Tag, an dem sie nicht neue Erfahrungen mache, sich in diese Themen eindenken und Entscheidungen treffen müsse.

Problemchen…

Eine lustige Szene hat sich gerade vor einigen Tagen ereignet. Einer ihrer Meister lief Ulrike Aull in die Arme. Er hatte eine warme lange Cargo-Hose mit einem langen Hemd an – bei über 30 Grad im Schatten. Ob ihm denn nicht zu warm sei, fragte sie ihn. Ja, sehr, entgegnete ihr Werkstattmeister. Warum er denn keine dünnere Hose anziehe? Außerdem, die sitze nicht wirklich gut. „Ja, sie haben ja recht“, entgegnet der Serviceberater. Aber das sei die vorgeschriebene Mietkleidung und das habe ihr Vorgänger beschlossen, dass das die Arbeitskleidung sein solle. „Ist das Ford-Norm?“. „Nein, das wurde von der Geschäftsleitung so festgelegt.“

Ergebnis: „Ich habe den Serviceberatern nun die Aufgabe gegeben, mir Vorschläge für neue Arbeitskleidung zu unterbreiten, eine für den Sommer und eine für den Winter.“ Lacht: „Ich lege Wert darauf, dass alle meine Mitarbeiter adrett aussehen!“

…und Probleme

Dann ging im Februar eine Hebebühne kaputt. „Dann haben wir eine neue, größe installieren lassen.“ Die neue Anlage kann auch schwere Fahrzeuge wie den Transporter Transit nach oben heben. Entsprechend groß ist auch die elektrische Anschlussleistung, und da trat ein Problem zu Tage, das große Auswirkungen auf den Betrieb hatte: Die gesamte elektrische Installation der Werkstatt wurde am Anschlag betrieben und war total unterdimensioniert.

Dann stellte sich noch heraus, die Anbindung der Firma an das Stromnetz war viel zu klein ausgelegt. „Wir konnten also gar nicht so viel Strom von der EnBW beziehen, wie wir wollten“, erklärte Ulrike Aull.

Ergebnis: Die gesamte Elektrik musste komplett erneuert werden. Seit Monaten wird deswegen an vielen Ecken und Enden umgebaut. „Die Leitungen waren teilweise 40 Jahre alt und ich bin im Nachhinein froh, dass uns nicht das selbe Schicksal wie kürzlich die BIWU ereilt hat“, meinte die Firmenchefin. Als sie dann die zusammengebackenen Kabelbündel gesehen habe, die da aus den Schächten geholt wurden, von denen teilweise die Isolierung davonrieselte, „da habe ich einige Nächte nicht geschlafen.“

Investitionsprogramm

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Waschanlage mit angeschlossenem Wasserrecycling. Bis zu 90 Prozent des anfallenden Wassers wird zurückgewonnen.

Das Problem ist erkannt und wird angegangen. „Insgesamt investieren wir jetzt 300.000 Euro in die Erneuerung der Elektrik, in eine KfZ-Waschanlage und eine Photovoltaik-Anlage auf unserem Dach“, erläutert die geschäftsführende Gesellschafterin ihre weiteren Pläne. Der Strom aus der Photovoltaikanlage wird im eigenen Unternehmen genutzt, einspeisen rentiere nicht mehr.

Die neue Portalwaschanlage hat ein Wasserrecycling-System, 70 Prozent des Betriebswassers wird zurückgewonnen, nur noch 30 Prozent sind Frischwasser.

Warum eine eigene Waschanlage? „Früher war es so, dass die Autos in einer Fremdanlage gewaschen wurden. Das Problem waren nicht die Kosten für die eigentliche Wäsche, sondern die Hin- und Herfahrerei“, so Ulrike Aull. Jetzt bleiben die Autos auf dem Hof und „in drei Jahren hat sich die Anlage amortisiert.“

Auch der Gebrauchtwagenplatz erfährt eine Auffrischung. Er wird demnächst befestigt und erhält einen Zaun.

Verdient wird im Kundendienst

Das Geschäft mit Neu- und Gebrauchtwagen trägt inzwischen nur noch zu einen kleinen Teil zum Ergebnis eines Autohauses bei. Der größte Teil wird über den Kundendienst erwirtschaftet. Und hier ist Auto-Wagner Spitze.

„Als ich hier wieder angefangen habe, war ich fasziniert von der Logistik, die ich vorgefunden habe“, so die Geschäftsführerin. 40 bis 50 Autos werden täglich durch die Werkstatt geschleust. 15 Aushilfen, meist Rentner, holen die Fahrzeuge morgens beim Kunden ab, darunter sind viele SAP-Mitarbeiter, und nachmittags bringen sie die Wagen nach dem Service-Durchlauf frisch gewaschen wieder zurück.

Zweites Standbein der Firma ist der Handel mit Autoteilen. In einem eigenen Lager werden 12.000 Ersatzteile vorgehalten und zweimal am Tag werden neue nachgeliefert. Bei Auto-Wagner decken sich auch die kleineren regionalen Händler und Werkstätten ein.

Mitarbeiter sind Kapital

Text

Besonders stolz ist die Chefin, wenn ihre Leute Preise für ihre Leistungen gewinnen.

65 Leute stehen beim Wieslocher Ford- und Volvo-Autohaus auf der Lohn- und Gehaltsliste, dazu kommen noch die 15 Aushilfen für den Hol- und Bringservice.

Ihre Leute sind Ulrike Aull sehr wichtig und entsprechend würdigt sie auch deren Leistungen. „Mein früherer Geschäftsführer hat dem zu wenig Beachtung geschenkt“, meint sie kritisch, und so werden jetzt regelmäßig Mitarbeiter für Betriebszugehörigkeit oder herausragende Leistungen geehrt. So erhielten jüngst gleich vier Servicetechniker für ihren hohen Ausbildungs- und Wissensstand eine Auszeichnung und die gesamte Firma Wagner gewann den 1. Platz „Service in Deutschland 2014“, der von der Ford Service Organisation vergeben wird.

„Ein Preisgeld gab es dafür und der wird für den Unternehmensausflug eingesetzt“, lacht die Chefin. Die gesamte Firma Wagner fliegt aus nach Köln: Werksführung bei Ford, Altstadtbummel, Übernachtung – und am nächsten Tag geht es zum Drachenfels. „Bis auf drei Mitarbeiter gehen alle mit, und das freut mich sehr“, betont die Chefin.

Die Chefin ist zufrieden

Rund 10.000 Fahrzeugdurchgänge zählt man bei Auto-Wagner pro Jahr. Und darunter sind viele Autos von anspruchsvollen SAP-Mitarbeitern. „Und ich habe pro Halbjahr nur acht Reklamationen, die bei mir auf dem Tisch landen“, so Ulrike Aull. Das sind Beanstandungen, die die Serviceberater nicht mehr selbst regeln können. Und acht auf 5000 Durchgänge im Halbjahr: „Das ist eine super Quote!“

Insgesamt habe das Autohaus sehr loyale Kunden: 70 Prozent aller Neufahrzeuge gehen an Stammkunden.

Und besonders freut sich Ulrike Aull, dass einige Kunden ihr persönlich schreiben und sich für den Service bedanken. „Das tut immer gut“, meint sie, denn meist müsse sie sich ja eher um die „schwierigen Fälle“ kümmern. Lacht: „Und um ehrlich zu sein: Ich stehe auf Lob!“

Auch ihren Mitarbeitern habe sie schon mitgeteilt, dass man auch seine Chefin loben darf. „Das ist nicht verboten“, schmunzelt sie.